Marburger Sportvereine während der Corona-Krise – Mercenaries hoffen auf Saisonstart im Herbst
Als Carsten Dalkowski und Matthias Dalwig im Herbst 1989 zum ersten Mal im Rahmen eines USA-Schüleraustauschs ein American Football-Spiel ansehen durften, war ihnen noch nichtbewusst, dass ihre dort geweckte Begeisterung für die Sportart 1991 zur Gründung des American-Football-Vereins-Marburg Mercenaries e.V. führen würde. Auch, dass die Mercenaries 2002 in die German Football League (GFL) Süd aufsteigen und heute als Leuchttürme im Bereich Spitzensport in Marburg gelten würden, war damals nicht absehbar. Und das Dalkowski und Dalwig nun 2020, als Vereinspräsident und Trainer den Sportklub durch eine Pandemie-bedingte Krise führen müssen, erst recht nicht! Doch genauso kam es:
Schnelle Reaktion der deutschen Football-Welt auf Corona
Im März ging es den Footballer*innen ganz ähnlich wie den Basketballer*innen vom BC Marburg, die neben den Mercenaries einziger Bundesligist der Stadt sind (Blogbeitrag über den BC Marburg -> hier). Das sportliche Leben Marburgs musste erst einmal auf unbestimmte Zeit aussetzen, um eine weitere Verbreitung des Coronavirus’ zu vermeiden. „Der American Football Verband (AFVD) hat als einer der ersten Fachverbände die Zeichen der Zeit erkannt“, blickt Vereinspräsident Carsten Dalkowski auf die Geschehnisse Anfang des Jahres zurück. „Bereits Mitte März haben wir jedes Training untersagt.“ Im nächsten Schritt wurden die Ausgaben des Vereins auf das Notwendigste gesenkt und die laufenden Kosten auf ein Minimum reduziert.
Digitales Training für Kopf und Körper
Wie konnte man im American Football, einer Sportart mit extrem vielen Teammitgliedern und Körperkontakt, nun die Zeit trotzdem sinnvoll nutzen? „Während des Shutdowns wurde statt „Face to Face“ quasi „Interface to Interface trainiert“, erklärt Sportdirektor Michael Dalkowski. Inspiriert durch den Medieneinsatz der spielbasierten Lernplattform „kahoot“ im Fremdsprachenunterricht kam Gründungsmitglied und Headcoach der Jugend- sowie zweiten Mannschaft Matthias Dalwig auf eine raffinierte Idee. Gemeinsam mit seinen Trainerkollegen wurde eine online Theorie-Trainingseinheit in Quizformat erstellt. Spieler*innen der Jugend und der zweiten Mannschaft nahmen an dieser teil und versuchten sich an den von den Trainern vorbereiteten Fragen zum „Playbook“. In einem solchen „Playbook“ werden alle Spielzüge des Angriffs und der Verteidigung mit jeglichen Varianten und Bezeichnungen aufgeführt. Denn hinter der athletischen Leistung der Footballspieler*innen steckt extrem viel Köpfchen. Auf dem Feld muss man sich an zahlreiche vom/von der Trainer*in geplanten Spielzüge erinnern können.
Im Nachgang war es den Trainern möglich, die Leistungen des Quiz‘ zu beurteilen. Spieler*innen konnten die Übung wiederholen und sich verbessern.
Gleichzeitig wurde sich in Chatgruppen ausgetauscht. „Über 200 Nachrichten zeugen vom großen Enthusiasmus aller Teilnehmer*innen“, freut sich Gründungsmitglied Dalwig über die positive Resonanz seiner Spieler*innen.
Neben dem digitalen Theorietraining hielten sich die Vereinsmitglieder individuell körperlich fit. „Das Krafttraining spielt im American Football eine große Rolle“, so Sportdirektor Michael Dalkowski. Da allerdings auch Fitnessstudios Corona-bedingt schließen mussten, wurde zu Hause mit dem eigenen Körpergewicht gearbeitet.
„Bereits seit der Winterpause nutzen wir die STP (Strenght Training Process) App“, ergänzt Dalkowski. Die App erfasst die physischen Werte und analysiert Trainingsfortschritte, wobei die Programme individuell auf die Positionsgruppen angepasst sind. Der Sportdirektor ist damit sehr zufrieden: „Während es für manche Unternehmen momentan nicht immer einfach ist, die Home-Office Leistungen der Mitarbeiter zu kontrollieren, ermöglicht uns die App eine eindeutige Messung der Trainingsleistung.“
Stadionöffnung ermöglicht Training
Am 3. Mai sollte für die Marburg Mercenaries eigentlich die Saison mit einem Heimspiel gegen die Munich Cowboys starten. Doch die Ränge im Georg-Gaßmann-Stadion blieben leer, das Spiel musste ausfallen. Die Nachricht, dass das Stadion bald seine Tore wieder öffnet und somit Training in Kleingruppen ermöglicht, spendete aber etwas Trost. Zu Beginn der Lockerungen wurden ausschließlich Laufeinheiten durchgeführt. Inzwischen nimmt das Training dank der neuen Kontaktregelungen im Sport wieder normalere Abläufe an, obwohl sich durch die maximale Gruppengröße von 10 Personen noch nicht alle Trainingssituationen realisieren lassen. Insbesondere Receiver, Runningbacks und Quarterbacks können aber bereits sinnvoll trainieren.
Wie geht es weiter?
Trotz der ungewissen Situation verpflichtete man im März den neuen Headcoach Joseph A. Tricario. „Für uns war es wichtig, einen erfahrenen Trainer an der Spitze zu haben“, begründet Dalkowski diese Entscheidung. „Wir sind froh, dass sich Coach Tricario dieser schwierigen Aufgabe stellt“. Tricario war bereits vor dem Corona-Shutdown im Land und letztes Jahr in Potsdam als Trainer aktiv. Aktuell gibt es noch viele Fragezeichen um das Stattfinden und die Durchführung der American-Football-Saison in Deutschland. „Nach neuestem Stand könnte es eine verkürzte Saison ab September mit etwas weniger Teams geben“, verrät Carsten Dalkowski, der als GFL-Ligasprecher direkt in die Saisonplanung der deutschen Liga eingebunden ist.
Auch mit den Nachwuchsteams möchten die Mercenaries in allen Ligen antreten. Das habe der Verein bereits dem hessischen Verband mitgeteilt.
Der neue Bundesliga-Headcoach Tricario freut sich schon auf die ersten Spiele, die dann hoffentlich ab Herbst stattfinden können: „Wenn es die Gesamtsituation erlaubt, möchten wir natürlich sehr gerne spielen. Die Jungs trainieren sehr hart dafür und halten sich auch vorbildlich an die Hygieneregeln. Mittlerweile haben wir ersten Zulauf von Spielern aus anderen Mannschaften, die selbst noch nicht trainieren oder schon abgesagt haben.“
Importspieler verpflichtet man aktuell allerdings noch nicht, da man die Entwicklung bis Ende Juli abwarten und dann Entscheidungen treffen wolle.
Interessierte aus der Region sind dafür gerne gesehen. Wer sich dem Verein anschließen möchte, ist herzlich eingeladen und kann sich ganz einfach über die Emailadresse office@mercenaries.de melden.
Die Stimmung der Spieler selbst ist den Umständen entsprechend gut. Quarterback Sonny Weishaupt, welcher 2019 noch den German Bowl mit den New Yorker Lions Braunschweig gewinnen konnte, bleibt optimistisch - ohne die Pandemie zu unterschätzen: „Es gibt noch einiges zu klären, aber wir als Spieler kontrollieren das, was wir können und stellen den Spaß in den Vordergrund. Allerdings darf man auch die aktuelle Entwicklung der Pandemie nicht aus den Augen verlieren und die Gesundheit aller Beteiligten hat dabei höchste Priorität.“
Starke Unterstützung von Stadt und Sponsoren
Bisher hat der Verein die Corona-Krise gut überstanden. „Die Stadt Marburg hat mit ihrem Soforthilfeprogramm sehr schnell reagiert. Das war sehr hilfreich. Auch unsere Hauptsponsoren haben uns die Treue gehalten.“, zeigt sich Präsident Carsten Dalkowski dankbar, „Unsere Mitglieder haben alle an einem Strang gezogen. Das ist wirklich sehr schön zu sehen.“
Unterstützen kann man den Verein jederzeit mit Spenden oder mit dem Eintritt in den Verein als (passives) Mitglied. Oder natürlich mit Einkäufen im Mercenaries Fan-Shop, wo mittlerweile eine sehr große Auswahl an Fanartikeln zu finden ist! Bleibt nur zu hoffen, dass die neuen Anschaffungen dann nicht lange im Schrank verweilen, sondern bereits im Herbst zum Einsatz kommen können - wenn die Marburg Mercenaries im Georg-Gaßmann-Stadion wieder ihre ersten Touchdowns erzielen!
Fotos: Sebastian Leis, Redvisionmedia
Links:
Hier kommt ihr zur Website der Marburg Mercenaries.