Zugang anfordern
RECUP für Marburg: Ein deutschlandweites Mehrweg-Pfandsystem
04.11.2021 Luzie Hegele

RECUP für Marburg: Ein deutschlandweites Mehrweg-Pfandsystem

Die Universitätsstadt Marburg sagt Einwegbechern gemeinsam mit der RECUP GmbH den Kampf an. Seit Sommer dieses Jahrs fördert sie die Einführung des deutschlandweiten Mehrweg-Pfandsystems – und ist damit der Zukunft voraus. Denn ab 2023 sind Gastronomiebetriebe in Deutschland dazu verpflichtet, ihren Kund:innen eine Mehrwegalternative anzubieten

Überquellende Mülleimer, herumfliegende Kaffee-to-go-Becher und ein erneuter Griff zur einmal verwendbaren Plastikschachtel, weil man leider wieder nicht an die eigene Brotdose für die Mittagspause gedacht hat – das sehen und kennen wir alle. „In Deutschland werden stündlich 320.000 Einwegbecher für Heißgetränke außer Haus verbraucht. Pro Jahr sind das rund 2,8 Milliarden Einwegbecher“, schreibt die Deutsche Umwelthilfe e. V. auf ihrer Website. Dass ein großer Teil der benutzen Einwegbecher achtlos weggeworfen wird und die Natur sowie das Stadtbild verschmutzen, ist kein Geheimnis. Das Plastik aus dem Kunststoff der „Coffee-to-go“-Becher zerfällt dann in winzige Teilchen und verbleibt als Mikroplastik in der Umwelt.

Die COVID-19-Pandemie wirkte wie ein Beschleuniger für umweltschädliches Verhalten. Monatelang waren Gastronom:innen zum reinen Außer-Haus-Verkauf gezwungen. Das Geschäft mit Speisen und Getränken zum Mitnehmen erreichte einen neuen Höhepunkt und hinterließ eine Spur aus Pappbechern, Kunststoffschachteln und Alufolie. Für Stadtmarketing und Stadt Marburg war schnell klar: Es muss eine Alternative zum „bösen“ Einweggeschirr her. In der RECUP GmbH hat der städtische Fachdienst „Umwelt, Klima- und Naturschutz“ schließlich einen passenden Partner für dieses Vorhaben gefunden.

Was ist RECUP?

RECUP ist Deutschlands größtes Mehrwegsystem für Take-away-Essen und To-go-Getränke. Mit REBOWL bietet das Unternehmen seit einiger Zeit ebenfalls wiederverwendbare Schalen zum Verleih an Gastronomiebetriebe an. 2016 hat RECUP damit begonnen sein Pfandsystem aufzubauen. Die beiden Gründer Fabian Eckert und Florian Pachaly hatten zur gleichen Zeit dieselbe Idee: To-go-Konsum muss nachhaltiger funktionieren, am besten im Mehrweg-Pfandsystem! Durch einen gemeinsamen Kontakt wurden sie einander vorgestellt und starteten gemeinsam die „REvolution“, wie das junge Münchner Unternehmen seine Arbeit bezeichnet. Mit 26 Partnerbetrieben in Rosenheim begann die erste Pilotphase. Das vielseitige Feedback der Gastronom:innen und Kund:innen vor Ort ermöglichten eine Verbesserung des Konzepts und so schlossen sich bereits 2017 50 weitere Partner in München an. Seither ist RECUP deutlich gewachsen und mittlerweile in ganz Deutschland zu finden – und nun seit einiger Zeit auch bei uns in Marburg.

Das Gründer-Duo Fabian Eckert und Florian Pachaly präsentiert den European Reusable Award, mit dem RECUP 2021 ausgezeichnet wurde. Foto: ©reCup GmbH

„Das Prinzip ist ganz leicht“, erklärt Stefanie aus der Marketingabteilung von RECUP uns, „Partnerbetriebe leihen sich die Mehrwegbehälter gegen Pfand bei RECUP und geben diese gegen denselben Pfandbetrag an ihre Kundschaft aus.“ Bei Bechern wird ein Pfand in Höhe von 1€ hinterlegt, bei Bowls sind es 5€. Nachdem der Inhalt verspeist oder das (Heiß-)Getränk genossen wurde, können die Kund:innen leere Pfandbehälter bei allen RECUP/REBOWL-Partnern abgeben. Das sind aktuell in Deutschland über 9.400 Cafés, Restaurants, Tankstellen und Bäckereien. Damit ist RECUP das dichteste Mehrwegnetz für Take-away und To-go in Deutschland und kann die Mehrwegbehälter flächendeckend anbieten. „Das ist für uns als Mehrwegsystem elementar“, erklärt Stefanie. „Denn es ist dann besonders sinnvoll, wenn sich möglichst viele Partner daran beteiligen. Je dichter das Netz ist, desto einfacher ist es für die Kund:innen sich Mehrwegbehälter auszuleihen und zurückzugeben. Es macht die Mehrwegnutzung also deutlich flexibler, wenn in einer Stadt viele Gastronom:innen Teil des gleichen Systems sind.“

Universitätsstadt Marburg fördert die Einführung des Mehrwegsystems

Daher entschloss sich die Stadt Marburg im Sommer für eine Kooperation mit einem Mehrweg-Pfandsystem. Hier fiel die Wahl bewusst auf die RECUP GmbH als Partner. „Sie sind die einzigen, die ein Pfandsystem anbieten, bei welchem die Becher und Schüsseln deutschlandweit zurückgegeben werden können und haben aktuell mit weitem Abstand die meisten Ausgabestellen“, begründet Andrea Heinz vom ausführenden Fachdienst Umwelt, Klima- und Naturschutz diese Entscheidung, „Außerdem sind die Pfandbeträge mit 1€ pro Becher und 5€ pro Schale vergleichsweise günstig.“ Ein weiteres Plus: RECUP hatte zu Projektstart bereits eine gute Basis von ca. 20 Ausgabestellen in Marburg. Eine Vielzahl der Marburger Gastronomien hatte sich also bereits selbstständig für das Münchner Unternehmen entschieden.

So unter anderem das Café Wertvoll am Steinweg 37, wo es die Becher von RECUP schon seit Oktober 2019 gibt. „Wir sind damals aktiv auf die die Suche nach einer Alternative zu den Papp-Bechern gegangen und dabei auf RECUP gestoßen“, erinnert sich Rafaela Kelsch. Sie ist Mit-Inhaberin des Cafés und als teilnehmende Gastronomin „mehr als überzeugt“ von dem Mehrweg-Pfandsystem. „Die Bestellung der Becher ist super einfach, es gibt gutes Werbematerial und die Kosten halten sich im Rahmen.“, erläutert die ehemalige Marburger Studentin aus Perspektive einer RECUP-Ausgabestelle. „Die Unterstützung der Stadt zeigt wie groß das Interesse in Marburg ist, die Umwelt zu schützen.“, freut sich Kelsch, die das Café Wertvoll gemeinsam mit zwei Freunden führt.

Von links nach rechts: Andrea Heinz vom Fachdienst Umwelt, Klima- und Naturschutz, Fairer Handel, ehemaliger Bürgermeister Wieland Stötzel und Daniela Maurer vom Stadtmarketing stellen gemeinsam mit Paul Schilhansl vom Recup-Partner Café Wertvoll das Mehrwegpfandsystem des RECUP und der REBOWL vor. Foto: Stefanie Ingwersen, Stadt Marburg

Konkret umfasste das Förderprogramm der Stadt die einmalige Übernahme der monatlich anfallenden Nutzungsgebühr für die ersten 12 Monate. Diese beläuft sich auf 25 bis 45 Euro pro Monat. „So können die Betriebe das System für ein Jahr ohne Risiko testen“, erklärt Heinz vom Fachdienst Umwelt. Ansonsten fallen keine weiteren Kosten für die Teilnehmenden an. Anders als bei Einwegverpackungen, die gekauft werden müssen, werden die Mehrwegbehälter schließlich nur von RECUP geliehen. Dabei können die Partner:innen selber entschieden, ob sie RECUPs und REBOWLs anbieten, oder sich für eines der beiden Produkte entscheiden. Am Systembeitrag ändert das nichts.
Rafaela Kelsch vom Café Wertvoll ist davon überzeugt, dass dies der richtige Schritt ist, um RECUP in Marburg weiter zu verbreiten. „Die Systemgebühr, die bei Recup anfällt, hat zu Beginn einige abgeschreckt, durch die Kooperation mit der Stadt werden sie aber sehen, wie viel Mehrwert das System hat.“

Heute: Marburgs dichtes „RECUP-Netz“

Die Bewerbung für die Förderung war auch bereits teilnehmenden Gastronomien möglich und lief bis zum 31. August 2021. Die Resonanz ist hervorragend: Etwa 35 neue RECUP-Partnerbetriebe sind seitdem dazugekommen. Für Marburger To-Go-Genießer:innen macht es die neue Vielzahl an RECUP-Partner:innen in der Innenstadt besonders leicht, das Pfandsystem zu nutzen. So kann man sich beispielsweise unten am Steinweg beim Café Wertvoll ein Getränk im RECUP-Becher holen, es auf dem Weg genießen und bei einem teilnehmenden Gastronomiebetrieb in der Oberstadt wieder abgeben und seinen Pfand direkt zurückerhalten. Alle teilnehmenden Betriebe lassen sich über eine Karte auf www.recup.de oder in der kostenlosen App des Unternehmens einsehen. So findet man schnell und einfach die nächsten Ausgabestellen direkt in der Nähe.

1 RECUP ersetzt 1.000 Einwegbecher

Die RECUP-Becher sind übrigens „Made in Germany“ und bestehen aus 100% Polypropylen (PP). Plastik- und Pappbechermüll durch einen Pfandbecher aus Kunststoff vermeiden? Eine logische Frage, auf die das Unternehmen eine logische Antwort hat: „Das Material Polypropylen ist momentan die nachhaltigste Alternative für uns, da es die Becher langlebig, bruchsicher und vollständig recyclebar macht.“, so Stefanie vom RECUP Marketing-Team. „Damit können die RECUPs möglichst lange im Kreislauf bleiben und bis zu 1.000 Einwegbecher ersetzen. Scheidet ein RECUP aus dem Pfandsystem aus, kann er zu 100% recycelt werden. Das ist nur möglich, da er aus einem Monomaterial besteht.“ Hinzu kommt der Komfort, der durch das Material gestärkt wird. „Um Mehrweg in den Alltag zu integrieren, muss man Mehrwegbecher gerne nutzen wollen.“, weiß Stefanie. „Der RECUP ist leicht, liegt gut in der Hand, kann platzsparend gestapelt werden und ist geschmacksneutral.“ Das finden auch Baristas, die die RECUPs getestet und für den gastronomischen Betrieb abgesegnet haben. Aktuell sind RECUPs in drei Größen, 0,4l, 0,3l und 0,2l, erhältlich.

Mehrweg-Alternative ab 2023 Pflicht

Damit ist der RECUP die optimale Mehrweg-Alternative zum Einwegbecher und kommt zum perfekten Zeitpunkt. Denn ab dem 1. Januar 2023 sind fast alle Gastronom:innen dazu verpflichtet, auch Mehrwegbehälter als Alternative zu Einwegbehältern für Essen und Getränke zum Mitnehmen und Bestellen anzubieten – und zwar EU-weit. Die angekündigte Vorschrift ist nämlich Teil mehrerer Neuregelungen im Verpackungs- und anderen Gesetzen, mit denen das beschlossene EU-Recht in Deutschland umgesetzt wird. Sie sollen laut Bundesregierung dazu beitragen, Abfälle zu vermeiden, Rohstoffe zu sparen und die Umwelt zu schonen. Einen Überblick über alle kommenden Maßnahmen zur Abfallvermeidung findet ihr hier.

Mit diesen Maßnahmen will die Bundesregierung Abfälle vermeiden und Rohstoffe schonen. Quelle: Bundesregierung

Marburg hat mit der Förderung der Einführung des RECUP-Pfandsystems in der Stadt nun bereits frühzeitig auf die neue Regelung reagiert – und beweist damit erneut, der Zukunft einen Schritt voraus zu sein.

„Du hast es in der Hand. Entscheid‘ dich für Pfand!“

Die „REvolution“ ist noch lange nicht am Ende. RECUP/REBOWL steht kontinuierlich im Austausch mit seinen Partnern und holt Feedback ein. Zuletzt zog das Unternehmen vermehrt „große Fische ans Mehrweg-Land“. So zählen die Tankstellen von Aral und Shell, sowie Denns BioMarkt, Alnatura und Bio Company und auch große Bäckereien wie die süddeutsche Hofpfisterei und die Müller Bäckerei zu den Partnern. Dazu kommen zahlreiche kleine Betriebe, die natürlich ebenso wichtig für die „REvolution“ sind. Erst vergangene Woche wurden die RECUP-Gründer Fabian und Florian für ihre Arbeit vom Bayerischen Staatsminister mit der Umweltmedaille, der höchsten Auszeichnung des Freistaats Bayern für herausragende Verdienste um den Umwelt- und Naturschutz sowie den Verbraucherschutz, ausgezeichnet. Denn RECUP hat es durch seine Arbeit nicht nur geschafft, Müllberge zu reduzieren, sondern auch das Umdenken in der Gesellschaft weiter angestoßen.

Mit der #einwegistböse-Kampagne will RECUP noch mehr Personen für ihr Pfandsystem begeistern. Foto: ©reCup GmbH

Für die Zukunft hat das Müncher Unternehmen bereits einiges geplant. „Aktuell arbeiten wir unter anderem an der Einführung einer neuen REBOWL mit zwei getrennten Kammern, die sich für Gerichte mit Beilage besonders gut eignet. Außerdem wird es einen transparenten, größeren RECUP mit 0,5l Fassungsvermögen geben. Darin finden Softdrinks und Cocktails, aber auch der Frappuccino mit Extraportion Sahne Platz“, verrät Stefanie. So werden sich zukünftig hoffentlich noch mehr Personen für die Mehrwegalternative entscheiden.

Marburg hat dafür mit der Kooperation und Förderung des Pfandsystems alle Weichen gestellt – pünktlich, bevor es ab 2023 sowieso Pflicht wird, Mehrweg zumindest anzubieten. Jetzt liegt es nur noch an uns Konsument:innen, dieses Angebot anzunehmen und zu nutzen. Denn im Endeffekt sind wir es, die durch unsere kleinen Entscheidungen, wie den Griff zum RECUP statt Pappbecher, gemeinsam große Veränderung herbeiführen können.

 

04.11.2021 Luzie Hegele